
Louise Weber, „la Goulue“
Die meisten von uns Erwachsenen kennen den uralten Witz von dem Engländer, der zwei Fahrkarten kaufen wollte. Er stand vor einem Schalter der Deutschen Bun desbahn und orderte ordnungsgemäss für sich und seine Gattin: „Two to Toulouse!“ Der Bahn-„Beamte“ wollte auch witzig sein. Er antwortete: „Tä TäTärä!“ Na ja.
Nun hat die Stadt Toulouse ihre eigenen Reize. Man nennt sie la Ville rose wegen ihrer roten Dächer, sie liegt in der südfranzösischen Region Languedoc-Roussillon/Midi-Pyrénées, und in Rousillon findet man in der Erde das Material, das auch Dachziegeln rot werden lässt: Ockerfelsen.
Und in Toulouse sitzt ein Unternehmen namens Airbus Industries. Die wesentlichen betrieblichen Funktionen sind dort integriert. So gibt es naturgemäß eine ausgedehnte Reise-Praxis zwischen Hamburg und Toulouse-Blagnac. Wer reisen muss, ist einen knappen Tag unterwegs. Blagnac ist nicht der Mittelpunkt Frankreiches, sondern tiefe Provinz, und darum ist der Flugplan ausgesprochen mager, und alle Wege sind lang – für Airbus-Mitarbeiter.
Lange Reisezeit, lange Wartezeiten auf dem Weg nach Toulouse – das verführt. Ehe man sich versieht, ist man gedanklich bei Henri Toulouse Lautrec gelandet, dem genialen Plakatmaler, der in 1901 im Alter von 37 Jahren gestorben ist. Kann sein, er hat sich mit Absinth totgesoffen. Aber seine Bilder! Ich mochte sie schon im zarten Alter von 10 – wegen der hübschen Mädels in Unterwäsche, Cancan tanzend, und dies zu flotter Musik von Jaques Offenbach, womöglich zum Galop infernal, dem Höllen-Cancan aus Orpheus in der Unterwelt. Ich träumte von einem kleinen Frühstück im La chat noir, der schwarzen Katze, und einer Nacht im Moulin rouge, dieser Lasterhöhle in Paris, die Ende des 19. Jahrhunderts noch Kult-Status hatte, und heute zur Touristenfalle verkommen ist. Und? Ich bin nie da gewesen. Der Star der Truppe, die Tänzerin La Goulue, die Gefräßige ist ohnehin längst gestorben.
Wer in Blagnac im Flughafen sitzt und seelisch soweit gesund ist, wird an dieser Strelle erlöst, indem er einschläft, und mit Glück erwacht er eben noch rechtzeitig, um seinen Flug nach Hamburg zu erwischen. Dann wartet man weitere 10 Stunden. Was solls!