1049 – Verbogen

Photo by Polina Tankilevitch

Heute bin ich so drauf. Meine Krankenpfleger hatte ich wieder einmal trickreich ausgeschaltet und mir damit die Möglichkeit verschafft, bis zur Erschöpfung auszuschlafen. Anschliessend habe ich bis zur Eichmarke schwarzen Kaffee ohne Zucker nachgefüllt. Nun sollte alles Wesentliche im Lot sein, aber Pustekuchen. Im Lot ist garnichts. So wartet im Flur Arbeit auf mich. Wenn ich etwas hasse, dann solche Attacken. Gut. Für 12 Flaschen Grauburgunder sollte ich auch mal richtige Kreuzschmerzen in Kauf nehmen. Alles hat eben seinen Preis. Wäre da nicht die seefeste Verpackung in einem Panzerkarton. Dieses Objekt in handliche Teile zerlegen, damit man einen stets überfüllten Container damit füttern kann, erfordert viel Erfahrung und den sicheren Gebrauch eines Tapetenmessers. Wie der Fussboden hinterher aussieht, lasse ich mal unkommentiert.

Während ich so vor mich hindenke, macht sich in meinem Bewusstsein ein Gedanke breit. Wie ich weiss, gibt es bei ALDI immer einen Tafelwein, der gut trinkbar ist. Kaufe ich dort, zahle ich die Hälfte. Und es gibt keinen Verpackungsmüll. Um W. zu entlasten, kaufe ich vielleicht 2 x 6 Flaschen. Oder 3 x 4. Oder noch besser 4 x 5. Hauptsache es werden 12 Flaschen.

Mir scheint, in meinem Kopf schreitet die Altersdemenz stramm voran. Oder man hat mir ein Viertel Hirn geklaut. Mir scheint, ich bin nicht mehr geschäftsfähig. Nebenbei: Vor Jahren war ich auf Sylt zu Gast bei Leuten, die dort eines dieser malerischen reetgedeckten Häuser ihr Eigen nennen, also nicht zu den Ärmsten der Republik gzählt werden müssen. Die Hausfrau schenkte einen trockenen Weisswein aus mit der Bemerkung, sie hätte ihn bei ALDI gekauft. Hat mich amüsiert. Heute würde ich allerdings Beifall klatschen.

Das grössere Problem beim Weinkauf ist der Betrug. Kurz gesagt: Wenn ich eine Flasche Sauvignon blanc öffne, dann erwarte ich einen sorten-spezifischen Geschmack, sagen wir mal fruchtig-würzig. Schmeckt der Wein aber wie ein Müller-Thurgau aus den Pfälzer Flachlagen, dann hat man verschnitten, also diverse Billigweine zusammengekippt und mir für 6 oiro verkauft. Es ist ein Problem, solchen Betrügereien aus dem Weg zu gehen.

Um die Möbel gerade zu rücken: Ich bin kein Weinkenner, sondern schlichter Konsument. Die blumenreiche Sprache der „Experten“ verkrafte ich je nach Stimmung. Bin ich nicht gut drauf, macht es mich zornig. Andernfalls lese ich die Sprüche mit Vergnügen und bin froh, normal geblieben zu sein. Für mich gilt nämlich: Schmeckt mir, oder schmeckt mir nicht. Kaum zu glauben, aber damit komme ich gut zurecht!

Zum selben Wein, einem Chateau d‘ Yquem aus 1997, einem süssen Dessertwein drei Stimmen von Spitzen-Sommeliers:

  1. Die hellgoldene Farbe des 1997er wird von einem wunderschönen Duft begleitet Karamell, Geißblatt, Pfirsich, Aprikose und rauchiges Holz.Vollmundig und geschmeidig strukturiert, mit guter unterschwelliger Säure sowie viel Süße und Glycerin, scheint es ein großartiger Jahrgang für dieses renommierte Sauternes-Weingut zu sein.Erwartete Reife: 2005 -2055.“
  2. Ein reiner Stil mit intensiven Noten von Akazie, weißem Pfirsich, Aprikose, Nektarine und Mandarine, die lang und rassig sind, vor einem wunderschönen Hintergrund aus gesengten Mandeln. Verbindet Obstgarten- und tropische Fruchtaromen im langen, raffinierten Abgang.
  3. Mittleres Gold. Frisches und komplexes Bouquet mit Kokosnuss, Ananas, Zitrusfrucht und etwas Butter. Auch der Gaumen wirkt frisch, intensiv und verfügt über eine stützende und lebhafte Struktur. Opulenter Körper, langes fruchtiges Finale.

Für diesen Wein kann man zwischen 300 und 5.000 oiro bezahlen. Für eine Flasche natürlich. Klar, ich würde diesen Wein wirklich gerne probieren. Aber sollte ich einen Versuch wagen, den Chateau ‚d Yquem zu kaufen, so wird sich mein Geldbeutel in Krämpfen winden, und meine EC- und Kreditkarten auf „Vergiß es, bin kaputt“ schalten.

Weil’s mir grade einfällt: Ich hatte man einem wunderbaren Nachmittag einen wunderbaren Sitzplatz bei der SANSIBAR, einer Strandbar für die Prominenez gefunden, und ich bestellte mit ein Glas Riesling; 0,1 Liter kostete 7 oiro. Ich hatte dann weitere 4 Gläser bestellt und war am Ende 35 oiro los, unser Essen nicht mitgerechnet – egal. Das wirklich Bemerkenswerte: Dieser Wein war nicht gut. Nein er war exzellent. Der beste , den ich je im Glas hatte. Und ich habe, da erblich belastet durch die Geburt als Pfälzer bereits mit 16 angefangen, Wein zu trinken, und bis heute gab es dabei keine nennenswerte Pausen.

Womit sich die Frage stellt, ob ich nicht längst zu Alkoholiker geworden bin. Nun sagt man, man könne das testen, indem man für eine Woche auf Alk verzichtet.
Gelegentlich lege ich solche Testwochen ein und kompensiere mit Zitro-Limo und Apfelschorle, um meine Genuss-Sucht zu befrieden. Oder ich bin für vier Wochen im Krankenhaus, wie im letzten Jahr – null Probeme. Meinem Meatbolismus bin ich zu Dank verpflichtet. Der schafft den Alk schneller weg, als ich davon betrunken werden kann; für 0,7 Liter, also eine Flasche brauche ich ohnehin so um 6 Stunden, und eine zweite würde ich nicht schaffen. Diese Zeiten sind längst vorbei.

Ich hatte mit Alkoholikern in der Familie zu tun. Sehr unlustig.

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