1048 – Fantasy

Wie aus anderem Anlass berichtet lebe ich mit dem Umstand, dass mir Tag für Tag irgendwann am Nachmittag das Leben entgleitet. Alle Kraft scheint sich in meinem verlängerten Rücken zu versammeln, um dafür Sorge zu tragen, dass ich nicht aus meinem Sessel rutsche. Ich verliere das Bewusstsein, schlafe friedlich eine Runde, arbeite mich mit Träumen ab und erwache irgendwann ….. müde wie zuvor.
Das ist mittlerweile Routine, schadet allerdings, da ich mit diesem Defizit nicht mehr Auto fahren kann. Meine Driver licence habe ich nicht abgegeben. Ich fand es effizienter, mein Auto wegzugeben.

Wie auch immer ….. ich schlafe also unvermittelt, und stets im Sitzen ein, und komme danach wieder auf die Füsse. So lief das auch gestern nachmittag. Erwacht bin ich allerdings durch Fremdeinwirkung. Jemand tippte mir auf die Schulter. Ich erwachte, öffnete die Klüsen und sah eine Hand.

Ich sollte das wiederholen: Ich sah eine Hand! Wie soll ich das jetzt erklären …. einfach eine Hand. Mit nichts dran. Überrest einer Amputation. Diese Hand mit Sonstnichts schwebte vor mir, und es schien, sie wollte ein Händeschütteln, wie zur Begrüßung üblich, oder zum Verabschieden. Mir wurde übel. Das Handshake habe ich verweigert, und ich schloss die Augen. Wieder klopfte ers auf meiner Schulter, und diese verdammte Pfote schwebte nun vor meinem Gesicht.

Hilflosigkeit artet aus. Man kann agressiv werden. Ich zumindest kann das. Und ich wurde wütend, versuchte, beide Hände in Fäuste zu verwandeln. Es gelang – rechts. Was ist nur mit meiner linken Seite nicht in Ordnung, dachte ich, und kontrollierte. Die linke Hand fehlte. Statt dessen schwebte vor mir nun keine Hand, sondern eine geballte Faust. Ich verlor die Orientierung vollends, und – um grössere Schäden zu vermeiden – ging ich zu Bett, um den Grusel wegzuschlafen.

Zeit: Heute früh, so gegen 9:30 Uhr
Ort : Badezimmer
Ich betrachte das Veilchen, also den Bluterguss unter meinem linken Auge.
Prüfe, ob ich wach bin. Ich bin.
Suche die Hand, wo sie sein soll. Dort ist sie nicht.
Die Hand liegt entspannt auf dem Klodeckel.
Wasser läuft über meine rechte Hand.
Die linke kommt angeschwebt und möchte auch an das Wasser gelangen.
Letztlich wäscht meine rechte die abtrünnige linke mit. Schön mit Seife, wie es sich gehört.
Dann schwebt das Miststück wieder vor meinen Augen.
Ich schiebe sie zur Seite. Dort bleibt sie. Sie hörte auf mein Kommando „Platz!“
Mir dämmert, dass ich nun professionelle Hilfe benötige.
Um die Ecke praktiziert ein Unfall-Chirurg.
Ihm zeige ich meinen Armstumpf links.
Die Hand ist nicht mitgekommen.
Der Doktor meint, der Stumpf sei in Ordnung.
Alles gut verheilt, kein Anlass zur Sorge!
Und plötzlich fragt er mich: “Sagen Sie mal, wann und wie haben Sie ihr linkes Ohr verloren?“

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