….. sine alpha!
Vor 25 Jahren war ich gezwungen, mir eine Armbanduhr zu kaufen. Ich suchte also ein Fachgeschäft auf und liess mir das Sortiment vorführen. Aber nichts von dem Gezeigten ließ einen Funken überspringen – Langeweile pur.
Dann sagte der Verkäufer, ein Exemplar habe er noch, und kramte eine Omega Seamaster hervor. Ich schaute hin, sagte dem Mann, da sei sie doch, und kaufte das Teil. Sauteuer, also vierstelliger Kaufpreis, und der Verkäufer war ziemlich irritiert, da ich bar bezahlte, aber klamottenmässig eher wie ein Penner da stand.
Heute weiss ich: Dieser Kauf war ein Riesenfehler. Der Wecker braucht so alle 5 bis 6 Jahre eine Grundüberholung, dazu schickt man ihn in die Schweiz, und wenn er nach 8 Wochen wiederkommt, hängt an ihm eine Rechnung nicht unter 650 oiro.
Nun wäre dieser Aufwand wieder fällig, aber mit einer Reparatur verbunden, da ich das Heliumventil kaputt gedreht habe. Es sind eben mal so um 800 oiro fällig; die Automatik macht echt schlapp. Sie läuft nach manuellem Aufziehen maximal 3 Tage, danach ist es um halb sechs erst vierzehn Uhr zehn. Soll ich sie nun für 800 fit machen lassen?
Die Summe der Wartungskosten liegen weit höher als der Kaufpreis. Nun soll ich wieder 800 draufpacken. Aber nichts da! Gestern entschied ich, die defekte Omega beiseite zu legen und für 190 oiro eine Quarzuhr zu kaufen. Im dritten Durchgang fand ich endlich ein Exemplar, das mich zufrieden stellt. Besser gesagt: Meinen Uhren-Tick. Meine Tochter schämt sich mit mir, wenn ich zum Doktor soll; ich bin ganz und gar, und aus Überzeugung ein Penner (Luxusklasse), ich verbrate Heizkosten so idiotisch wie ein Krösus, aber bei der Uhr hört der Spass auf. Eigentlich eigenartig. Das Äussere der Uhr muss zu meinem Innenleben passen. Und der äussere Preis zum Innenleben meiner Geldbörse. Das macht mich schwierig.
Kurz gesagt: Ich bin ziemlich anspruchsvoll, aber Maserati liefert eine Uhr, die zu mir passt. Ich sollte korrekt bleiben: Es gibt reichlich Modelle, die ich mag. Wirkliche Schönheiten. Sie haben alle denselben Fehler: Kaufpreis um 2.000 und höher. Ein wahrer Liebestöter. Ausserdem kann ich eine schöne, wertvolle Uhr nicht vererben. Mein Sohn trägt keinen Wecker am Handgelenk. Wenn er eine Zeitangabe braucht, schaut er nach Sonne oder Mond, und wenn dort Wolken alles verdecken, rennt er wohl ins Dorf und liest die Kirchturmuhr ab. Dann rennt er nach Hause und wärmt seine Suppe wieder auf. Eine Taschenuhr kann er auch nicht benutzen. In der linken Hosentasche trägt er, der Handwerker immer einen kompletten Satz Gabelschlüssel herum, und die rechte ist mit einem Schraubensortiment gefüllt. Auf seinem T-Shirt steht „Allzeit bereit!“. Meine, eine adäquate Ausrüstung bestünde dann aus Lebensmitteln inklusive 2 Dosen Bier – aber ich bin ein Luxus-Penner und verfüge über 3 Kühlschränke; ich kann hier den Inhalt meiner Hosentaschen offenlegen: Links ein Taschentuch der Bundeswehr, ca. 60 Jahre alt, aber gewaschen (!) und gebügelt (konservativ, nicht wahr?) und rechts ein Brillenputztuch und mein Laguiole-Taschenmesser (Griff aus schwarzer, fossiler Mooreiche), auch ein Schmuckstück. Ich habe kein Problem, es zu gestehen: Es sind die Accessoirs, die mir ein Profil geben. Den Rest kann man vergessen, denn ich bin im Grunde sehr bescheiden. Ja, ich bestehe darauf. Da ist eine Jogginghose – ich trage sie gerade – die ist sowas von kaputt, dass es mich immer wieder wundert, warum sie oben bleibt, mir also nicht in die Kniekehle fällt, mit all ihren Löchern, aber sie passt, und ich mag sie. Sie ist ein würdiger Vertreter der Ästhetik des Lumpenproletariats. Oder bin ich es? Der Gedanke macht mich beinahe ein wenig stolz; ich wäre so etwas wie eine Ausnahme, ein Gegenstück, ein Protestler und Terrorist in der Welt der Barbie-Puppen! Na das hebt doch meine Stimmung genau in jene Höhe, die ich für den Genuss eines argentinischen Sauvignon blanc aus Mendoza brauche!